Bachelorarbeit "Eine Bühnenbildinszenierung von Toni Morrison's Kurzgeschichte 'Recitatif'


Von:

Kyra von Leerodt-Wrede

Betreut durch:

Prof. Dr. AnneMarie Neser

Tags

Bachelorthesis

Zwei Frauen mit einer unterschiedlichen Hautfarbe begegnen sich das erste Mal im Kindesalter im Heim.
Beider Mütter der Mädchen leben noch und diese Gemeinsamkeit unterscheidet sie vom Rest der anderen Waisenkinder und macht sie zu Freundininnen. Der „gemeinsamen Raum der Freundschaft“ bietet beiden Zuflucht und gegenseitiges Verständnis. Weitere vier Mal begegnen sie sich die beiden Mädchen im Laufe ihres späteres Lebens, nachdem beide aus dem Kinderheim ausziehen. Während dieser Treffen im Jugend- und Erwachsenenalter werden sie auf unterschiedliche Weise mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Die Machtdynamiken verändern sich und die inneren sowie äußeren Grenzen werden bei jeder Begegnung erneut auf die Probe gestellt. Die unterschiedlichen Lebenseinstellungen der beiden Frauen stehen neben ihrer prägenden Vergangenheit im Mittelpunkt des Geschehens und formen den Spielraum, indem die beiden Figuren miteinander agieren. Zusätzlich ist die Frage nach der Ethnie bzw. der Hautfarbe der beiden Frauen eine unaufgeklärte Tatsache, die viele Interpretationsmöglichkeiten zulässt und die eigene Wahrnehmung in Frage stellt. Mit dem geschickten Einsatz stereotypischer Aussagen zeigt die Geschichte, dass Hautfarbe nicht an bestimmten Verhaltensweisen festgemacht werden kann. Das Bühnenbild unterstützt diesen Illusions-Gedanken und beweist, dass selbst wenn wir Farbe erkennen, diese niemals bewertet werden kann, da jede Form von Farbe immer nur im Bezug zur eigenen Wahrnehmung steht.

DIE BOXEN:

Die beiden Boxen bilden die Illusion einer quadratischen Box. Die sechs Kantenlängen der Boxen sind jeweils zwei Meter lang. Somit ergibt sich eine Innenfläche von jeweils vier Quadratmetern. Der innere Raum, sowie die äußeren Grenzen der Boxen können während der Aufführung genutzt werden, um die emotionalen sowie physischen Ereignisse der Geschichte auf der Bühne zu erzählen. Die Boxen können verschoben werden, wodurch sich immer wieder neue räumliche Perspektiven und Grenzen bilden lassen. Auf den ersten Blick scheint es als würden sich die Boxen nur durch die unterschiedliche Farbe unterscheiden. Doch der erste Eindruck ist nicht immer der richtige. So verspricht ein kleiner aber feiner Unterschied in der Anordnung der Seitenkanten einen spannenden Auftritt, welcher zum mitdenken anregt.

DIE BUNTFARBEN:

Die Buntfarben in den Innenseiten der Boxen zeigen jeweils zwei Farben der subtraktiven und der additiven Grundfarben. In der weißen Box sehen wir Grün und Rot, hier fehlt allerdings noch die Farbe Blau um die additive Farbmischung zu vervollständigen. In der schwarzen Box sehen wir Cyan und Magenta, hier fehlt die Farbe Gelb um die subtraktive Farbmischung zu vervollständigen.
So könnte man meinen, dass die Figur mit dem blauen Kostüm zu der weißen Box gehört. Denn zusammen ergeben die Farben Rot, Grün und Blau (RGB) die Farbe Weiß. Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass die Figur mit dem gelben Kostüm zu der schwarzen Box gehört. Denn die Farbe Schwarz ergibt sich aus den Farben Cyan, Magenta und Gelb (CMYK). Allerdings bildet die Mischung aus Grün und Rot die Farbe Gelb, weshalb es ebenso möglich wäre, dass die Figur im Gelben Kostüm zu der weiße Box gehört. Anders herum ist Blau die Mischung der Farben Cyan und Magenta, weshalb die Figur im Blauen Kostüm gedanklich der schwarze Box zugeordnet werden kann.
Das Spiel mit den Grundfarben versinnbildlicht zusammenfassend, dass es zwecklos ist Farbe zu kategorisieren. Farbe bietet vielmehr Vielfalt und bedingt einander.

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LICHT UND SCHATTEN:

Farbiges Licht baut auf den zuvor genannten Grundgedanken auf und verdeutlicht wie individuell die Wahrnehmung von Farbe tatsächlich ist. Beleuchtet man beispielsweise die Cyan-farbige Fläche mit Magenta-farbigem Licht, erscheint die Fläche Blau. Setzt man stattdessen gelbes Licht ein erscheint die Fläche Grün. Beleuchtet man die cyanfarbige Fläche mit der gleichen Lichtfarbe, leuchtet die Farbe Cyan-hell auf. Hier zeigt sich nur einer der vielen Beispiele wie Farbe sich von äußeren Gegebenheiten verändert. Wir können davon ausgehen, dass die Farbe die wir zu erkennen vermögen, oftmals variiert und immer im Auge des Betrachters liegt. Der Wahrnehmungsprozess der einzelnen Rezipienten wird während der Aufführung somit auf die Probe gestellt. Es wird verdeutlicht, dass Farbe nicht bewertbar ist. Das Bühnenbild handelt im Sinne der Kurzgeschichte Toni Morrisons. Denn wie in der Geschichte steht Farbe im Zentrum des Geschehens und beeinflusst die eigentliche Handlung.

Schatten und Licht sind Elemente, die sich nicht voneinander trennen lassen. In dieser Bühnenbildgestaltung vermitteln Licht und Schatten eine weitere Dimension. Denn aufgrund der hellen Wand und dem hellen Boden ist der Schatten so deutlich zu erkennen, dass sich neue räumliche Grenzen bilden. Durch die geometrische Form der Boxen entstehen geradlinige Schatten, welche sich während der Aufführung bespielen lassen. Ebenso lässt der Schatten der Figuren viel Raum für Interpretationen. Der Schatten ist somit nicht nur ein Nebenprodukt von Licht, sondert funktioniert als eigenständiges Element auf der Bühne.

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